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Allgemeines 

Das KKW Gösgen (KKG) liegt im Kanton Solothurn nordwestlich von Zürich, wenige Kilometer südlich der deutschen Grenze in dicht besiedeltem Gebiet.

Am Standort Gösgen befindet sich ein Block, der von der deutschen KWU (Kraftwerksunion, heute Framatom) in den Jahren 1973 bis 1979 errichtet wurde. Das KKW Gösgen wird von der KKG (Kernkraftwerk Gösgen-Däniken AG) betrieben, an der fünf Partner beteiligt sind: die Aare-Tessin AG für Elektrizität (Atel, 40 Prozent), die Nordostschweizerischen Kraftwerke (NOK, 25 Prozent), die Stadt Zürich (15 Prozent), die Centralschweizerischen Kraftwerke (CKW, 12,5 Prozent) sowie die Stadt Bern (7,5 Prozent). Das KKW nahm im November 1979 als der leistungsstärkste Druckwasserreaktor in der Schweiz den kommerziellen Betrieb auf. Er gehört der 1000 MW-Klasse an. Zugleich ist er nach dem Siedewasserrekator des KKW Leibstadt der zweitgrößte Reaktor der Schweiz. Obwohl die Anlage auf einer gegen Hochwasser künstlich aufgeschütteten Landzunge an der Aare liegt, wird die Restwärme wegen der großen Dimension der Anlage nicht in den Fluss abgeleitet, sondern in einem 150 Meter hohen Kühlturm abgekühlt. Das Schweizer  KKW Mühleberg, das mit dem Wasser der Aare gekühlt wird, muss die Leistung an heißen Sommertagen - wenn die Aare eine Wassertemperatur über 18 Grad aufweist - reduzieren, um eine Erwärmung des Flusses zu vermeiden. Dies wurde beim KKW Gösgen durch den Kühlturm vermieden. Laut der Abteilung Landeshydrologie im Bundesamt für Wasser und Geologie (BWG)/Schweiz haben sich Aare und Rhein in den letzten Jahrzehnten um ein Grad erwärmt. Nach der Schweizer Rechtslage darf kein Wasser mit einer Temperatur, die mehr als 32 Grad beträgt in einen Fluss eingeleitet werden. Wie bei KKW dieser Größe üblich, ist die Dampffahne des KKW Gösgen bei bestimmten Wetterlagen über 100 Kilometer weit sichtbar und reicht mehrere Kilometer hoch in den Himmel.

Die Entwicklung des Kernkraftwerks

Das KKW Gösgen wurde ursprünglich für eine elektrische Leistung von 970 MWel errichtet. Es stellte sich jedoch heraus, dass weitere Leistungsreserven im nuklearen- und später auch im konventionellen Teil der Anlage nutzbar gemacht werden konnten. Zwischen 1985 und 1992 wurde durch eine Vergrößerung der aktiven Zone (Verlängerung der Nutzzone der Brennelemente) und einer geringfügigen Erhöhung der Uran-235-Anreicherung die Reaktorleistung um 20 MWel auf 990 MWel angehoben. Ab 1996 konnte durch einen Umbau des Turbogenerators die Leistung ein weiteres Mal gesteigert und die heute verfügbaren 1020 MWel bei 3002 MWth erreicht werden. Es wurden zahlreiche Modernisierungsprojekte durchgeführt. Diese gingen Hand in Hand mit Investitionen zur Verlängerung der Betriebsdauer auf projektierte 60 Jahre. Das KKW verfügt über eine unbefristete Betriebsbewilligung. Dies ist innerhalb der Schweiz üblich, die Anlage kann solange betrieben werden, wie die entsprechenden Kriterien erfüllt sind. Die Stromgestehungskosten der Anlage sanken durch technische Verbesserungen und Verkleinerung der Kreditbelastung von 4,5 (Euro-)Cent (6,30 Rappen) 1980 auf heute 2,9 Cent pro Kilowattstunde (4,07 Rappen). Die Anlage wird als Grundlastkraftwerk eingesetzt.


Wichtige Zahlen im Überblick

 

 ReaktortypLeistung
(MW elektrisch)
FertigstellungVoraussichtlich
Betrieb bis
KKW-Gösgen Druckwasserreaktor
Westl. Typ, KWU
9701 (10202) Netzsynchronisation 1979 offen

1Nettoleistung: Netzeinspeisung nach Abzug des Eigenverbrauchs der Anlage
2Bruttoleistung: Inklusive der für den Betrieb notwendigen Leistung

  • Entfernung von Wien (Luftlinie): etwa 800 km
  • Anteil der Anlage an der Stromerzeugung in der Schweiz: zirka 15 Prozent (2007)
  • Anteil der Stromerzeugung aus Kernenergie in der Schweiz: zirka 40 Prozent (2007)
  • Jahresstromerzeugung der Anlage: zirka 8 TWh pro Jahr
  • Eingespeiste Energie seit Inbetriebnahme: 201,5 TWh (April 2007)

Bisherige schwere Stör- und Zwischenfälle

Störfälle mit der Freisetzung von größeren Mengen an Radioisotopen am Standort Gösgen sind bisher nicht bekannt. In der Nacht vom 4. auf den 5. Juli 2005 wurde die Leistung vorübergehend verringert. Eine elektronische Störung in der Turbinenregelung führte zu einer Leistungsreduktion. Durch diese Leistungsabsenkung veränderten sich die Druckverhältnisse im Wasser-Dampf-Kreislauf. Es öffnete sich unplanmäßig ein Abblaseventil, wo kurzzeitig Wasserdampf in den Maschinenraum austrat. Der Fehler wurde behoben.


Kritikpunkte und Position der Wiener Umweltanwaltschaft

Kritikpunkte 

Das KKW Gösgen ist nach dem KKW Leibstadt der zweitjüngste Block in der Schweiz. Die Betriebsbewilligung gilt ohne zeitliche Einschränkung, solange die wiederkehrenden Prüfungen erfüllt werden können. Von Seiten der Betreiber wird eine projektierte Gesamtlebensdauer der Anlage von 60 Jahren genannt, was in Anbetracht der durch Neutronen induzierten Materialversprödung zahlreicher auch nicht auswechselbarer Komponenten (etwa des Reaktordruckbehälters) sowie weitere Alterungseffekte sicherheitstechnisch problematisch ist und möglicherweise eher durch ökonomische Überlegungen nahe gelegt wird.

Position der Wiener Umweltanwaltschaft

Das KKW Gösgen stellt für die Stadt Wien zwar keine unmittelbare Bedrohung dar - selbst bei einem auslegungsüberschreitenden schweren Unfall mit hoher Freisetzung an Radioaktivität ist innerhalb Österreichs nicht mit Evakuierungsmaßnahmen zu rechnen. Dennoch stellen unbefristete Betriebsbewilligungen bei Kernkraftwerken auf Grund der durch Alterungsprozessen unterliegenden Materialien und nicht auswechselbaren Kraftwerkskomponenten ein sicherheitstechnisches Problem dar. Abhängig von der Art und Druchführung wiederkehrender Sicherheitsprüfungen kann eine unbefristete Betriebsgenehmigung den Betreiber dazu verleiten auch bei Nichterfüllung einzelner Sicherheitskriterien Druck auf die Aufsichtsbehörde auszuüben, um den zeitweiligen oder endgültigen Entzug der Betriebsgenehmigung zu entgehen. Die geplanten 60 Jahre Betriebszeit könnten in diesem Zusammenhang fälschlicherweise als Sollwert angesehen werden, der womöglich in der Realität nicht oder nur unter hohem Aufwand erreicht werden kann. Durch die fotschreitende Alterung tritt zusätzlich eine technische Veralterung der Anlage ein, auch wenn diese qualitativ noch in einem guten Zustand ist. Die Wiener Umweltanwaltschaft setzt sich daher generell dafür ein, dass für veraltete Kernkraftwerke keine Betriebszeitverlängerungen gewährt werden, da moderne Sicherheitsüberlegungen in diesem Fall unberücksichtigt bleiben.


 

Sicherheitssysteme

  • Der Reaktor von Gösgen ist von einem Stahlbeton-Containment mit Stahlliner umgeben, der Auslegungsdruck beträgt 4,89 bar bei 135 C. Das Containment ist gegen Erdbeben, Explosionsdruckwellen und Flugzeugabstürze ausgelegt.
  • Not- und Nachkühlsysteme bestehen.
  • Die Notstromversorgung erfolgt durch Akkumulatoren und Dieselgeneratoren
  • Sämtliche relevanten Systeme sind mehrfach ausgelegt. Zur Abführung der Nachzerfallswärme stehen notfalls 11 Pumpen zur Verfügung, wobei eine einzige für diesen Zweck ausreichen würde.
  • Der Standort ist seismisch eher inaktiv, außerdem bietet die 20 - 30m hohe Kiesschüttung des Geländes auf einem kompakten Kalkfelsen ein gutes Fundament.
  • Bei der Anordnung der Gebäude und Anlagenteile versuchten die Konstrukteure die Rohr- und Kabelwege so kurz wie möglich zu halten, um unnötige Komponenten mit zusätzlicher Anfälligkeit zu vermeiden.
  • Der Abriss einer Hauptkühlmittelleitung, der Bruch einer Frischdampf- oder Speisewasserleitung können als Auslegungsstörfälle von den Sicherheitssystemen aufgefangen werden.
  • 1993 erfolgte die Inbetriebnahme eines Druckentlastungssystems (DES), das bei einem auslegungsüberschreitenden Störfall das Zerbersten des Containments durch Druckabbau verhindern soll. Durch Filter werden die meisten Radioisotope aus den abgeblasenen Gasen entfernt. 
     

Verwendete Quellen und Links

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