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Allgemeines 

KKW Leibstadt liegt am Hochrhein in der Nordschweiz und in der Nähe des Grenzübergangs Koblenz/Waldshut, 50 km nordwestlich von Zürich in dicht besiedeltem Gebiet.

Am Standort wird ein Siedewasserreaktor betrieben. Das KKW Leibstadt (KKL) ist das größte und jüngste Kernkraftwerk der Schweiz. KKL wird aufgrund seiner großen Leistung nicht direkt mit Flusswasser gekühlt, sondern besitzt einen 144 Meter hohen Kühlturm. Die ersten Planungen stammen aus Mitte der 1960-iger Jahre. Ursprünglich sollte ein 600 MW-Block errichtet werden, der sein Kühlwasser aus dem Rhein bezieht. Aufgrund geänderter gesetzlicher Rahmenbedingungen war dies nicht mehr möglich. Daher wurde für einen  Naturzug-Kühlturm entschieden und gleichzeitig die projektierte Leistung auf 900 MW angehoben. Die lange Errichtungsdauer von 11 Jahren bis zur Fertigstellung Ende 1984 ist auch durch den Unfall im US-amerikanischen KKW Three Mile Island (TMI/Harrisburg) 1979 erklärbar. Es wurden weitere Sicherheitsanforderungen für das KKL erhoben, deren Umsetzung langwierig und aufwendig waren. Die ursprünglich prognostizierten  Errichtungskosten von 2 Milliarden Schweizer Franken steigerten sich durch zusätzliche Maßnahmen auf etwa 5 Milliarden Schweizer  Franken (zirka 3 Milliarden Euro). Das KKL gehört sieben Stromunternehmen, wobei die Nordostschweizerische Kraftwerke AG (NOK) die Geschäftsführung inne hat. Über den Verteilerknoten Laufenburg ist das Kraftwerk auch mit dem europäischen Stromnetz verbunden.


Wichtige Zahlen im Überblick

 ReaktortypLeistung
(MW elektrisch)
FertigstellungBetriebsende
KKW Leibstadt Siedewasserreaktor
General Electrics (GE)
11651 (1220)2

15.12.1984
Netzsynchronisation

offen

1Nettoleistung: Netzeinspeisung nach Abzug des Eigenverbrauchs der Anlage
2Bruttoleistung: Inklusive der für den Betrieb notwendigen Leistung

  • Entfernung von Wien (Luftlinie): zirka 800 Kilometer
  • Anteil der Anlage an der Stromerzeugung in der Schweiz: zirka 15 Prozent (2007)
  • Anteil der Stromerzeugung aus Kernenergie in der Schweiz: zirka 40 Prozent (2007)
  • Durchschnittliche Jahrestromerzeugung der Anlage 9,367 TWh (2006)
  • Eingespeiste Energie seit Inbetriebnahme (Stand Sommer 2007): 175 TWh

Bisherige schwere Stör- und Zwischenfälle

Größere Stör- oder Zwischenfälle mit radiologischen Auswirkungen auf die Umwelt sind bisher nicht bekannt geworden. Jedoch ereigneten sich wie in jeder Industrieanlage betriebliche Störungen und kleinere Zwischenfälle:

  • 1995 ereignete sich bei Wartungsarbeiten an einem Hilfssystem im nicht-nuklearen Bereich der Anlage eine Wasserstoffexplosion, die zu schweren Verletzung von drei Technikern führte.
  • Im August 2001 entdeckte die schweizerische Nuklearaufsichtsbehörde HSK die Fälschung von Checklisten für die Revision durch zwei Operateure. Der Vorfall wurde mit 1 auf der INES-Skala bewertet und besitzt damit Relevanz für die Anlagensicherheit.
  • Ein defektes Brennelement erhöhte die Radionuklidkonzentration des Kühlwassers.
  • Ultraschalluntersuchungen ergaben an Reaktorwasser-Umwälzschleifen mehrere Rissbildungen, die auf mangelhafte Materialverarbeitung oder Versprödung, ein Alterungsphänomen, hindeuten.

Kritikpunkte und Position der Wiener Umweltanwaltschaft

Kritikpunkte 

Die Schweizer KKW Betreiber verfolgen das Konzept einer außerordentlich langen Betriebszeit für ihre Kernkraftwerke. Begründet wird dies durch ständige Wartung und technische Nachrüstung. Dadurch soll die Anlagen auf einem neuwertigen Zustand gehalten werden. Dieses Konzept muss jedoch grundsätzlich hinterfragt werden, da:

  • nicht alle Anlagenteile erneuert werden können (z. B. Reaktordruckgefäß, Gebäude etc.)
  • manche Systeme technologisch überaltern und durch den Stand der Technik überholt werden, selbst wenn sie noch einen guten Zustand aufweisen

Diese Schwierigkeit ist aber für KKL bisher noch nicht in vollem Umfang relevant, da sie Anlage erst 1984 ihren Dauerbetrieb aufgenommen hat und damit noch verhältnismäßig neu ist. Leider handelt es sich beim modernsten und größten schweizerischen Kraftwerk um einen Siedewasserreaktor (und nicht um einen Druckwasserblock). Die Emissionen von Radioisotopen während des Normalbetriebs sind bei diesem Anlagentypus deutlich höher als für vergleichbare Anlagen mit getrenntem Reaktor- und Turbinenkreislauf. Die gesundheitlichen Risiken, noch dazu im dichtbesiedelten Grenzgebiet mit unterschiedlicher Nutzen/Risikoverteilung, müssen von den betroffenen Parteien diskutiert und abgewogen werden.

Position

Eine unmittelbare sicherheitstechnische Relevanz für Ostösterreich und die Region Wien ist durch das KKW Leibstadt nicht gegeben. Die Wahl des Standortes direkt an der deutschen Grenze und unweit von Österreich und Frankreich macht Leibstadt zu einer internationalen Angelegenheit, selbst wenn die Schweiz nicht Mitglied der europäischen Gemeinschaft ist.


Technische Spezifikationen und Sicherheitssysteme

Technische Spezifikationen

Die Leistung des Blockes beträgt 3600 MWth bzw. 1220 MWel (brutto) und 1165 MWel (netto). Die aktive Zone besteht aus 648 Brennelementen. Die Urandioxid-Brennstofftabletten befinden sich in Zirkaloy-4 Hüllrohren. Die durchschnittliche Anreicherung von leichtspaltbarem Uran-235 im Brennstoff liegt bei etwa 3,3 %. Die Gesamtmasse an Uran (235U und 238U) im Reaktor beträgt 113,5 Tonnen. Beim Eintritt des Kühlwassers in den Reaktorkern beträgt seine Temperatur 222  Grad Celsius, beim Durchströmen der aktiven Zone wird es auf 286 Grad Celsius bei 73,1 bar aufgeheizt. Die Turbinen verarbeiten 1,815 Tonnen Dampf pro Sekunde bei 3.000 Umdrehungen pro Minute. Dadurch wird der Generator zur Stromerzeugung angetrieben. Zur Errichtung des Kraftwerks wurden (ohne Kühlturm) 200.000 Tonnen Beton und 28.500 Tonnen Armierungsstahl verwendet.

Sicherheitssysteme

Das KKW Leibstadt gehört zu den sichersten Siedewasserreaktoren (SWR) weltweit. SWR sind aber insgesamt weniger sicher als vergleichbare Druckwasserreaktoren und emittieren auch im Normalbetrieb technologiebedingt mehr Radioaktivität, da die Abtrennung der Systeme von der Umwelt nicht konsequent ist.

  • Der Reaktor von Leibstadt ist – obwohl bei Siedewasseranlagen eher unüblich - mit einem Containment und einem 1,2 m starken Reaktorgebäude aus Stahlbeton umgeben, da die Anlage in einem dicht besiedelten Gebiet liegt. Das Containment ist für bestimmte angenommene  Erdbeben, Explosionsdruckwellen und Flugzeugabstürze ausgelegt.
  • Containmentsprühsystem
  • Vier von einander unabhängige Not- und Nachkühlsysteme
  • Notstromversorgung bestehend aus fünf Dieselgeneratoren
  • Ersatzblockwarte
  • Kühlwasserentnahme aus fünf Grundwasserbrunnen oder Wasserkammer des Druckabbausystems oder Kaltkondensatorsystem
  • Moderne Reaktorschutz- und Schnellabschaltsysteme mit der Überwachung und Einbeziehung zahlreicher Betriebsparameter
  • Sämtliche relevanten Systeme sind mehrfach ausgelegt
  • Der Abriss einer Hauptkühlmittelleitung, der Bruch einer Frischdampf oder Speisewasserleitung können als Auslegungsstörfälle von den Sicherheitssystemen aufgefangen werden.
  • Druckentlastungssystem (DES), das bei einem auslegungsüberschreitenden Störfall das Zerbersten des Containments durch Druckabbau verhindern soll. Durch Filter werden die meisten Radioisotope aus den abgeblasenen Gasen zurückgehalten.  

Verwendete Quellen und Links

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