Belgien war wie sein großer Nachbar Frankreich eines der ersten Länder die in Europa auf Kernenergie setzten. Heute erzeugt das kleine Land rund 37 % seines Stromes an zwei KKW- Standorten.

In Doel-Beveren - 15 Kilometer nördlich von Antwerpen - sind vier Reaktoren in Betrieb. Zwei Druckwasserreaktoren von Westinghouse aus der Mitte der 1970-er Jahre mit je etwa 450 MW elektrischer Leistung und zwei aus der Mitte der 1980-er mit je etwa 1000 MW elektrischer Leistung, wobei Block 3 vom französischen Hersteller Framatome (heute Areva) und Block 4 wie die Böcke 1 und 2 von Westinghouse sind.

In Tihange - 30 Kilometer südwestlich von Liège/Lüttich - sind drei Reaktoren in Betrieb. Der Block 1 stammt aus der Mitte der 1970-er Jahre und ist wie Block 2, der aus der Mitte der 1980-er Jahre stammt, ein französisches Design. Block 3 ist ein Design der Firma Westinghouse.

Die Katastrophe in Kauf nehmen

Die drei Reaktoren aus den 1970-er Jahren haben ihre geplante Lebensdauer bereits überschritten. Trotz zahlreicher Pannen erhielten sie aber aktuell eine Betriebsgenehmigung für weitere zehn Jahre. Aber auch die neueren Anlagen haben bereits über 30 Jahre Betrieb hinter sich. Neben den dadurch immer häufiger auftretenden Defekten – in Tihange 1 führt eine in Flammen aufgehende Schalttafel zu einer Schnellabschaltung. Doel 3 muss abgeschaltet werden weil eine Heißwasserleitung leckte und lies sich auf Grund eines defekten Schalters nach der Reparatur nicht mehr anfahren - wurden an den Reaktordruckgefäßen von Doel 3 und Tihange 2 tausende Risse mit jeweils mehreren Zentimeter Länge festgestellt. Als die Risse bei einer Revision im Jahr 2012 festgestellt wurden maßen die Längsten etwa 25 mm. Genauere Untersuchungen 2014 zeigten etwa um die Hälfte mehr Risse als bei der ersten Untersuchung, die Länge der Risse ging nun bis zu 180 mm. Obwohl ein Kollegium internationaler Experten den Grund für die Risse nicht eindeutig festmachen konnte, erlaubte die belgische Aufsichtsbehörde Federaal Agentschap voor Nuclaire Controle (FANC) schließlich die Wiederinbetriebnahme. Sie vermutet, dass die Risse Wasserstoffflocken sind, die bereits bei der Produktion des Druckgefäßes entstanden, obwohl sich die Erhöhung der Anzahl der Risse und die größere Länge zwischen den Messungen 2012 und 2014 nicht nur auf die besseren Untersuchungsmethoden zurückführen lässt.

Untätig bleibt die Behörde in Belgien allerdings nicht, auch wenn der Betrieb von Doel 3 und Tihange 2 auch mit verringerter Festigkeit der Reaktoren weitergehen darf. Statt im Umkreis von 20 Kilometer sollen jetzt im Umkreis von 100 Kilometer um die Reaktoren Jod-Tabletten an die Bevölkerung verteilt werden.

Die belgischen Reaktoren werden trotz der Appelle und fachlich fundierten Befürchtungen (etwa der deutschen Atomaufsicht) weiter laufen, bis sie auf Grund ihrer zahlreichen - Großteils altersbedingten - Probleme nicht mehr am Laufen gehalten werden können oder ein Unfall die Anlage zerstört. Was auch immer früher eintreten mag.

Dichtest bevölkerte Region Europas rund um belgische AKW

Mindestens 335.000 Lampen auf 150.000 Masten erhellen nachts Belgiens Autobahnen und anderen Schnellstraßen fast durchgehend. Der Energieverbrauch pro Kopf liegt in Belgien etwa um die Hälfte höher als in Deutschland, die AKW könnten sofort stillgelegt werden, würde man das Effizienzniveau Deutschlands erreichen.

Die Umgebung der belgischen KKW zählen zu den dichtest bevölkerten Regionen Europas. Eine Katastrophe wäre schnell nicht nur ein belgisches Problem, innerhalb der 100 Kilometer Zone der AKW befinden sich Aachen (240 000 Einwohner), Brüssel (1 139 000 Einwohner), Liège (200 000 Einwohner), Maastricht (120 000 Einwohner), Antwerpen (500 000 Einwohner), rund 50 % der Fläche Luxemburgs (500 000 Einwohner), Rotterdam (610 000 Einwohner), Eindhoven (216 000 Einwohner ), Charlerois (205 000 Einwohner), 's-Hertogenbosch (140 000 Einwohner) um nur eine Auswahl der größten und bekanntesten Orte zu nennen.

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