Marion Jaros, Wiener Umweltanwaltschaft
Seit kurzem kann man sich im Haus der Natur des Landesmuseums St. Pölten mittels „Augmented Reality“ virtuell in die Welt der Nachtfalter entführen lassen. Man setzt bloß eine Brille auf und schon wird man von den schönsten Nachtfaltern Österreichs umflattert. Begleitet von schöner Musik führen drei Schmetterlingsexpert*innen in die Bedürfnisse und Relevanz dieser großen Tiergruppe ein, darunter auch unsere Kollegin Marion Jaros.
Während in Österreich nur knapp über 200 Tagfalterarten leben, gibt es hierzulande stattliche 3800 Nachtfalterarten. Viel weniger beachtet, weil zumeist in der Dunkelheit unterwegs, leistet diese große Gruppe der Schmetterlinge, weit mehr für den Naturkreislauf als unsere Tagfalter, sowohl als Bestäuber wichtiger Wildpflanzen, als auch als relevanter Teil der Nahrungskette. Insbesondere für Fledermäuse stellen Nachtfalter einen wichtigen Teil ihrer Ernährung. Darüber hinaus sind ihre Milliarden von Raupen eine wichtige Proteinquelle für Vogelküken und unzählige weitere Insektenfresser.
Besonders schön und gefährdet
Ihrem Verschwinden aus unseren Landschaften wird zugleich viel weniger Beachtung geschenkt, obwohl die Gruppe der Nachtfalter die wahren Riesen unter den Schmetterlingen stellt.
Man denke an das imposante Wiener Nachtpfauenauge, das mit bis zu 16 Zentimeter Flügelspannweite als der größte heimische, ja europäische Falter gilt. Aber auch viele Schwärmer, wie der gruselige Totenkopf, der herrliche Oleanderschwärmer, der pinkgrüne Mittlere Weinschwärmer und der giftige Wolfsmilchschwärmer mit seinen großen, knallbunten Raupen sind eindrucksvolle Vertreter der Nachtfalter.
Nachtfalter leiden nicht nur am Lebensraumverlust und Pestizideinsatz durch Landwirtschaft und Wildnisverlust. Sie haben ein weiteres großes Problem, nämlich die zunehmende Lichtverschmutzung in der Nacht. Insbesondere die helle Beleuchtung von Kirchen, Schlössern, Burgen und anderen Denkmälern wirkt fatal. So hat ein Schmetterlingsexperte in Süditalien einmal untersucht, wie viele Großschmetterlinge durch ein einziges beleuchtetes Kriegsdenkmal ums Leben kommen. Er kam in seiner Hochrechnung auf die traurige, ja erschreckende Zahl von 7 Millionen toten Großschmetterlingen in nur einem Jahr.
Aber auch die zunehmende Nachtbeleuchtung in Gärten und nach oben strahlende Straßenbeleuchtungen sind ein Problem. Die WUA hat zu diesem Thema eine umfassende Expertise. Maßnahmen zum Schutz der Nacht(falter) vor zu viel Licht
Warum Nachtfalter zum Licht fliegen
Warum Nachtfalter so magisch von Lichtquellen angezogen werden, ist nicht vollständig geklärt. Wahrscheinlich orientieren sie sich am polarisierten Licht der Himmelskörper und verwechseln elektrisches Lichtquellen mit hellen Himmelskörpern. Sie richten ihre Flugbahn in rechtem Winkel dazu aus. Das bewirkt eine stetige Annäherung in konzentrischen Kreisen und endet in einer tödlichen Gefangenschaft im Lichtkegel, Häufig sterben sie vor Erschöpfung, bevor sie sich erfolgreich fortpflanzen konnten.
Der kleine, feine Unterschied von Tag- und Nachtfalter
Wer meint, der Unterschied zwischen Tag- und Nachtfaltern liegt schlicht an der unterschiedlichen Tageszeit, in der sie aktiv sind, der irrt. Nicht wenige Nachtfalter sind tagaktiv, wie das blitzschnelle Taubenschwänzchen oder die hübschen, aber hochgiftigen Blutströpfchen, sowie die putzigen Dickkopffalter.
Das beste Unterscheidungsmerkmal von vielen sind die Fühler. Während sie bei den Nachtfaltern großen Formenreichtum aufweisen, wie z.B. fadenförmig, kolbenartig verdickt, bewimpert, gesägt, gezähnt oder fiederförmig, sind die Fühler der Tagfalter ausschließlich und immer am Ende knopfartig verdickt. Zudem klappen fast alle Nachfalter ihre Flügel dachförmig nach hinten über den Körper.
Tiergruppe der Rekorde
Ob der großen Artenzahl wundert es auch nicht, dass Nachtfalter die großen Rekordhalter unter den Schmetterlingen sind. Ihre Raupen können in wenigen Wochen das dreitausendfache an Gewicht zunehmen, um dann teilweise viele Jahre in der Puppe ohne Nahrung auszuharren bis die besten Bedingungen für das Schlüpfen des Falters erreicht sind. Manche Raupen klicken so laut wie Telefone, tragen Gifthaare, die schlimmer stechen als Bienen, spritzen Angreifern Ameisensäure ins Auge, produzieren wertvolle Seide, nehmen beinahe wie Chamäleons die Farbe ihrer Umgebung an, gehen als Fleischfresser auf die Jagd oder leben unter Wasser.
Nachtfalter fördern
Wer speziell Nachtfalter im eigenen Garten fördern möchte, kann neben dem Verzicht auf nächtliche Gartenbeleuchtung die wichtigsten ihrer Futterpflanzen in den Garten setzen.
Ganz oben auf der Hitliste der schmetterlingsfördernden Pflanzen stehen dabei Eiche, (Sal)Weide, Schlehe, Birke, Zitterpappel, Brom-, Him- und Heidelbeeren sowie diverse Obstgehölze, insbesondere Prunus-Arten wie Pflaume, Kirsche und Ringlotte. Letztere bieten zugleich uns selbst herrliche Leckerbissen.
Bei den Nektarpflanzen stehen beispielsweise Seifenkraut, Phlox, Buddleja, Witwenblumen und Nelkenarten hoch im Kurs.
ACHTUNG: Die virtuelle Reise im Haus der Natur dauert vier Minuten und wird jeweils nur am Wochenende angeboten. Es macht also Sinn, sich gleich das ganze Museum anzusehen oder noch bis 12. Februar 2023 die tolle Sonderausstellung Wildnis Stadt.
© Fotos:Marion Jaros