Mit dem massiven Rückgang der Analog-Fotografie hat die Silberindustrie einen wichtigen Absatzmarkt verloren und versucht nun, mit der breiten Anwendung von Nanosilber und diversen Silberverbindungen ein neues Marktsegment zu erschließen.

Während Silberverbindungen auf Grund ihrer antimikrobiellen beziehungsweise desinfizierenden Wirkung in der Medizin seit der Antike sinnvoll eingesetzt werden und heute bei Wundverbänden und Desinfektionsmitteln in Krankenhäusern ihre berechtigte Verwendung finden, ist der breite Einsatz von Silber bei und auf Alltagsgegenständen eine schleichende Gefahr – für Mensch und Umwelt. Die Risiken sind nicht abschätzbar, die Vorteile für die Konsument/innen gleich null – ähnlich der Gentechnik. Silber und seine Verbindungen wirken biozid, also keimtötend. Und so werden heute viele Alltagsprodukte zur antimikrobiellen Ausrüstung mit Mikro- oder Nanosilber beschichtet oder mit Silberverbindungen versetzt – eine Resistenzbildung ist die größte Gefahr.

Was ist Nanosilber?
Risiken der Anwendung von desinfizierenden Silberformen im Alltag
Was fordert die Stadt Wien?
Erster Schritt – Information der Bevölkerung
Forderungen an die Bundesregierung
Was macht die Stadt Wien im eigenen Bereich?
Weiterführende Informationen

Was ist Nanosilber?

Das Wort "Nano" leitet sich vom griechischen Wort "Nanos", der Zwerg, ab. Ein Nanometer ist ein Milliardstel Meter und verhält sich zu einem Meter wie der Durchmesser einer Haselnuss zu dem unseres Erdballs. Nanosilber besteht aus Partikeln im Bereich 1 bis 100 Nanometer (nm).

In den letzten Jahren wurden neue Technologien entwickelt, um Gegenstände und Geräte des täglichen Gebrauchs, mit Nano- oder Mikrosilber zu beschichten oder mit Silberverbindungen (wie Silbercitrat oder Silberchlorid) zu versetzen. Dazu gehören zum Beispiel Geschirrspüler, Waschmaschinen, Bettwäsche, Matratzen, Sportbekleidung, Socken, Kosmetika, Farben und Lacke, Zahnbürsten, Spielzeug, Frischhaltedosen, Schneidbretter, Kühlschränke, Reinigungsmittel, Deos, Haltegriffe in öffentlichen Einrichtungen/Verkehrsmitteln etc. Dies soll etwa die Hygiene im Haushalt verbessern, den Schweißgeruch von getragenen Socken oder Sportbekleidung reduzieren, die Entwicklung von Hautpilzen hemmen, den Verderb von Lebensmitteln hinauszögern oder vor der Übertragung von Infektionen schützen. Bisher gibt es trotzdem keine einzige Studie, die belegen konnte, dass die Anzahl von Krankheitsfällen im Haushalt bei Anwendung dieser Produkte sinken würde.

Risiken der Anwendung von desinfizierenden Silberformen im Alltag

Das größte Problem ist die Resistenzentwicklung. Der Einsatz von desinfizierenden Silberformen im Alltag, noch dazu in jeweils eher niedrigen, schwach wirksamen Konzentrationen, fördert die Ausbildung von resistenten Keimen. Dadurch wird Silber in seinen medizinischen Anwendungen im Krankenhaus beeinträchtigt und schließlich unwirksam. Außerdem besteht die Gefahr, dass durch die breite Anwendung von Silber auch die Vermehrung von Krankheitskeimen gefördert wird, die auch gegenüber anderen Desinfektionsmitteln und gegenüber Antibiotika resistent sind. Vor allem bei Keimen (Bakterien) mit sog. Kreuzresistenzen, die schlecht behandelbar und deshalb besonders gefährlich sind, ist dies besonders problematisch. Auch die Vermehrung dieser Keime könnte durch den breiten Einsatz von Silber gefördert werden.

  • Es gibt keine Langzeituntersuchungen über Folgen und Gefahren durch einen kontinuierlichen, langjährigen Kontakt mit Nanosilber.
  • Es gibt aber Hinweise, dass das Risiko an Allergien zu erkranken durch den allgemeinen, routinemäßigen Einsatz von antimikrobiellen Substanzen und eine übertriebene Hygiene zunimmt.
  • Aufgrund der bisherigen Erfahrungen mit silberhaltigen Arzneimitteln besteht zudem der Verdacht, dass (Nano)Silber selbst allergische Reaktionen auslösen kann.
  • Silberionen sind für Wasserlebewesen sehr giftig. Jungforellen werden zum Beispiel nach einer Studie bereits bei äußerst geringen Silberionen-Konzentrationen von nur 0,17 µg/l in ihrer Entwicklung beeinträchtigt. Die Ökotoxizität von Nanosilberpartikeln ist nach ersten Untersuchungen noch höher als die von Silberionen. Nanosilber wird die Wassergefährdungsklasse 3 zugeordnet. Das bedeutet: stark wassergefährdend. Silber ist als Metall nicht abbaubar. Es reichert sich am, bzw. im Gewässerboden an.
  • Silber ist zudem ein wertvoller, sich langsam verknappender Rohstoff.  (Nano-)Silberbeschichtungen auf Alltagsprodukten können nicht recycelt werden. Somit wird hier ein wertvoller Rohstoff verschwendet.

Was fordert die Stadt Wien?

Genauso wie in der Gentechnik muss das Vorsorgeprinzip unbedingt gelten. Die Risken dieser neuen Technologie sind nicht abschätzbar, ähnlich wie in der Gentechnik. Heute sind wir Österreicher/innen froh, dass wir Vorreiter gegen den flächendeckenden Einsatz sind und waren. Das muss uns bei Nanosilber auch gelingen.

Erster Schritt – Information der Bevölkerung

Die Bevölkerung soll darüber informiert werden, dass und welche Produkte mit Mikro- oder Nanosilber beschichtet sind -verbunden mit der Empfehlung, solche Produkte nicht zu kaufen. Als Hilfestellung – solange es keine Verbote oder einheitlichen Kennzeichnungsvorschriften gibt: Auf  Kennzeichungen wie Ag+, Silber, Silberionen, Nanosilber, Mikrosilber, kolloidales Silber, Bioshield achten – vor allem bei Produkten wie Geschirrspüler, Kühlschränken, Waschmaschinen, Computer, Bettwäsche, Matratzen, Sportbekleidung, Socken, Kosmetika, Farben.

Forderungen an die Bundesregierung

  1. Für antimikrobielle Beschichtungen von verbrauchernahen Produkten sollte Österreich ein generelles Verbot auf EU-Ebene fordern.
  2. Gleichzeitig soll Österreich einen Gesetzesvorschlag für einen einstweiligen Alleingang bei der EU-Kommission notifizieren.
  3. Sollte sich ein Verbot aus WTO-rechtlichen Gründen nicht durchsetzen lassen, muss eine einheitliche Kennzeichnungsverpflichtung für antimikrobielle Beschichtungen von verbrauchernahen Produkten eingeführt werden.
  4. Österreich soll für ein EU-weites Nanoregister eintreten – damit sind wir nicht alleine,  sondern in Gesellschaft von Staaten wie Niederlande, Belgien oder Deutschland. Damit würden die eingesetzten Nanomaterialien bei den Behörden registriert werden müssen. Damit könnten sich die Umweltbehörden zumindest einen Marktüberblick über eingesetzte Nanomaterialien und Produkte verschaffen.

Was macht die Stadt Wien im eigenen Bereich?

Die Stadt Wien hat sich im Rahmen des Programms ÖkoKauf Wien, das zur Ökologisierung der öffentlichen Beschaffung eingerichtet wurde, in einer eigenen Arbeitsgruppe unter der Leitung der Wiener Umweltanwaltschaft mit dem Thema Nanotechnologien auseinander gesetzt. Ziel der Arbeitsgruppe ist es, Nano-Produkte mit – bislang völlig uneinschätzbaren - Risiken von der Beschaffung auszuschließen und risikoarme Nano-Produkte mit messbaren, ökologischen Vorteilen zu identifizieren und ihre Markeinführung gezielt zu fördern. 

In den Ausschreibungstexten für Weißware (Waschmaschinen, Geschirrspüler, Kühlschränke, ...) und Grauware (Computertastaturen) wurde ein Passus aufgenommen, dass jede Form von antimikrobieller Beschichtung unerwünscht ist. Für andere Bereiche und Produktgruppen wie Sanitärkeramik oder Textilien werden entsprechende Bestimmungen gerade geprüft. Da es keine Kennzeichnungsvorschriften für solche Beschichtungen gibt, ist eine direkte Steuerung bei der Beschaffung derzeit noch schwierig – umsowichtiger ist die Forderung nach klarer Kennzeichnung – im Sinne der Konsument/innen und der Umwelt.

Weiterführende Informationen:  

Hintergrundpapier "Nanosilber – schleichende Umwelt-Gefahr unter dem Deckmantel der Hygiene" (422-KB-PDF), Hintergrundgespräch vom 30. Jänner 2012
Nanotechnologie -– Position der WUA
ÖkoKauf Wien: Positionspapier über Produkte aus dem Bereich der Nanotechnologien - Chancen/Risiken/Empfehlungen (1,2-MB-PDF)
ÖkoKauf Wien: Studie "Nanotechnologie in der Beschaffung Wiens - Erste Abschätzung von Chancen und Risiken" (1,3-MB-PDF)
Institut für Technikfolgen-Abschätzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften: nanotrust dossiers (267-KB-PDF)
Bundesinistitut für Risikobewertung, Nanosilber gehört nicht in Lebensmittel, Textilien und Kosmetika

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