Mit dem Wachstum der Wiener Bevölkerung geht auch ein Anstieg an Bautätigkeiten in Wien einher. Neuer Wohnraum wird geschaffen und auch dazu gehörige Infrastruktur, wie Kindergärten, Schulen, Straßen und Grünraum. Sowohl Anrainer/innen in bereits bestehenden Wohngebieten, als auch Lebensraum von Pflanzen und Tieren können durch diese baulichen Eingriffe und Veränderungen beeinträchtigt werden.
Vermehrte Lärm- bzw. Staubbelästigung und erhöhtes Verkehrsaufkommen wird bei Beschwerden angeführt. Bemängelt wird häufig der unprofessionelle Umgang mit Verpackungsmaterialien bzw. der Verarbeitung diverser Materialien (der bekannte „Schnee“ durch das Schneiden von Dämmplatten fällt dabei besonders auf). Die Tier- und Pflanzenwelt erfährt einen Verlust an Lebensraum und wird durch die Bautätigkeit zum falschen Zeitpunkt (Brut)beeinträchtigt. Beispielsweise kann es zu Verdichtung des Wurzelraumes von Bäumen durch Maschinen oder Baumaterial in deren Nahbereich kommen.
Planungsphase
Baumbestand
Boden
Einbindung der Bürgerinnen und Bürger
Transportlogistik
Abfallkonzept
Richtlinien und Leitfäden
Planungsphase
Eine ökologisch geführte Baustelle fängt schon bei der Planung und der nachfolgenden Einreichung an. Prinzipiell sollte es für alle Beteiligten selbstverständlich sein, dass es während der Bauführung eine ökologische Bauaufsicht durch eine dafür geeignete Person gibt, die alle naturschutz- bzw. artenschutzrechtlichen Maßnahmen als kontrollierende Instanz begleitet. Nur so ist gewährleistet, dass tatsächlich alle ökologisch relevanten Aspekte auf einer zu bebauenden Liegenschaft ausreichend berücksichtigt werden. Der Natur- und Artenschutz gilt auf Baustellen ebenso wie im gesamten Stadtgebiet, wer in den Lebensraum geschützter Arten eingreift, braucht eine Bewilligung der Naturschutzbehörde (MA 22). Die WUA hat in diesen Verfahren die Möglichkeit zur Stellungnahme.
Bereits in der Planungsphase ist es erforderlich den naturschutzrechtlichen Rahmen zu prüfen, um zeitgerecht und koordiniert die erforderlichen Maßnahmen vor bzw. während der Bautätigkeit einleiten zu können. Beispielsweise könnte es erforderlich sein VOR Beginn einer Bautätigkeit Ersatzbiotope anzulegen und geschützte Arten umzusiedeln. Bei Vögeln werden Eingriffe in den Lebensraum nur außerhalb der Brutzeit bewilligt. All das gilt es jedenfalls frühzeitig mit zu planen und immer im Auge zu behalten. Alle diese Maßnahmen brauchen eine naturschutzrechtliche Bewilligung.
Baumbestand
Ein ebenfalls sehr wichtiges Thema ist die Berücksichtigung des vorhandenen Baumbestandes und sein Schutz sowohl während der Planungsphase als auch während der Bautätigkeit. Im Vorfeld sollte so früh wie möglich der Zustand des Baumbestandes auf einer Liegenschaft erhoben werden, um unnötige Fällungen von vornherein zu vermeiden. Bereits in der Planungsphase sollte mit den Architekt/innen abgesprochen werden, dass durch eine kluge Positionierung der Gebäude auf der Liegenschaft so weit wie möglich der vorhandene Baumbestand erhalten bleiben kann. Der Baumschutz während der Bautätigkeit sollte jedenfalls durch die oben erwähnte ökologische Bauaufsicht konsequent betrieben werden. Der Mehrwert von älteren vitalen Bäumen auf Liegenschaften ist in Zeiten des Klimawandels und der Überhitzung unserer Lebensräume sehr groß und wird bereits als solcher erkannt. Umso wichtiger ist es daher, möglichst viele Bäume zu erhalten und ihnen durch die Bautätigkeiten keinen Schaden (beispielsweise Verdichtung des Wurzelraumes) zuzufügen. Der Baumschutz auf Baustellen ist in der Önorm L 1121 geregelt, sie wird in naturschutzbehördlichen Verfahren häufig als Auflage vorgeschrieben.
Boden
Ein weiteres Thema, das bei einer ökologisch geführten Planung und der nachfolgenden Baustelle große Relevanz hat, ist ein umsichtiger Umgang mit der Ressource Boden. Der Boden an sich hat sehr viele wichtige Funktionen. Neben den ökologischen als Lebensraum für Tiere, als Wasserspeicher, als Filter für das Grundwasser, ist er auch die Grundlage für die landwirtschaftliche Produktion und trägt zu einem großen Teil zum Wohlbefinden des Menschen durch Verdunstungskühle bei. Ein hoher Anteil an unversiegeltem und unverdichtetem Mutter(Ur)boden ist jedenfalls so weit es geht zu erhalten, da er sowohl uns Menschen Kühlung durch Verdunstung, als auch den Bäumen beispielsweise ausreichend Wurzelraum liefert, was den „Zugriff“ des Baumes auf Grundwasser ermöglicht und somit eine Bewässerung obsolet macht. Dieser Umstand ermöglicht eine qualitativ hochwertige Freiraumgestaltung, die auch nachhaltig Bestand hat. Das komplette Auskoffern von Liegenschaften von Grundstücksgrenze zu Grundstücksgrenze sollte man in Zukunft überdenken. Neue, umsichtigere Herangehensweisen sind diesbezüglich gefragt und tragen auch zur unmittelbaren Wohnqualität bei.
Einbindung der Bürgerinnen und Bürger
In der Planungsphase ist auch ein Augenmerk auf die Anrainer/innen zu legen. Die Einbindung der Menschen in das Projekt sollte so früh wie möglich angesetzt werden. Frühzeitige Information erhöht die Toleranz der Anrainer/innen während der Bauphase. Die Belastungen durch den Baustellenverkehr, die Logistik an sich, Lärm, Staub und Abfall durch die Baustelle sind sehr hoch. Durch Information zu den ökologischen Konzepten während der Bauphase, zum Zeitablauf und der Nennung einer Ansprechperson während der Bauzeit, kann man die Bevölkerung am Laufenden halten und bleibt mit ihr im Gespräch.
Wenn alle Vorarbeiten im Zuge der Planungen durchgeführt wurden und eine ökologische Baustellenaufsicht eingerichtet ist, alle naturschutzrechtlichen Aspekte abgeklärt sind, dann kann man das Projekt bei der Baupolizei einreichen.
Transportlogistik
Zu beachten sind vor allem Themen wie erhöhtes Verkehrsaufkommen durch Transport, Lärm, Staub, Entsorgung von Verpackungsmaterialien, Verarbeitung von Materialien (Styroporplatten) und auch Arten- und Baumschutz während der Bautätigkeiten. Wenn all diese Bereiche ausreichend berücksichtigt und die bereits vorhandenen Vorgaben eingehalten werden, dann kann man von einer ökologisch geführten Baustelle sprechen, die verträglicher für das gesamte Umfeld sein kann. Dass die Staubbelastung beispielsweise durch das Waschen der Straße, der Geräte und von Wassereinsatz bei Abbruch vermindert wird, sollte selbstverständlich sein.
Abfallkonzept
Der Bauführende muss ein Abfallkonzept vorlegen, das die korrekte Trennung der diversen Baustoffe und Verpackungsmaterialien und deren Entsorgung beinhaltet. Viel zu gewinnen gibt es bei einem durchdachten Konzept für den Transport von Baustoffen bzw. Abbruchmateriealien zur und von der Baustelle, wenn man z. B. durch das Recycling von Materialien vor Ort mit einem mobilen Brecher Fahrten durch das Stadtgebiet einspart. Das rechnet sich nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch und entlastet (Lärm, Staub, Verkehr) die angrenzende Bevölkerung.
Richtlinien und Leitfäden
Um eine Überblick über Vorgaben, Richtlinien, Leitbilder etc. zu geben und die „perfekte“ Baustellenführung für Mensch und Natur sicherzustellen, haben wir nachstehend einige wesentliche gesetzliche Vorgaben bzw. Richtlinien zur ökologisch verträglichen und korrekten Abwicklung von Baustellen zusammengefasst.
In der Wiener Bauordnung wird im §123 folgendes festgesetzt:
§ 123.
„(1) Bei Bauarbeiten muss jede Gefährdung und jede unnötige Belästigung durch Lärm, üblen Geruch und Staubentwicklung vermieden werden. Nötigenfalls sind Schutzdächer, Schutzmatten, Bauplanken, Abdeckungen oder Abschrankungen, Großbehälter für den Bauschutt (Container) u. ä. vorzusehen. Während der Dunkelheit sind Gefahrenstellen zu beleuchten.“
Diese gesetzliche Regelung ist sehr allgemein gehalten. Zur Vertiefung wurden von den unterschiedlichsten Institutionen Leitfäden/Richtlinien zu diesem Thema erstellt:
- Grundsätzlich findet sich auf der Homepage der MA 22 – Wiener Umweltschutz eine sehr gute Zusammenfassung betreffend der betrieblich notwendigen Abfallkonzepte für Baustellen. RUMBA ist ein von der Stadt Wien entwickelter Leitfaden, der sich vorbildlich mit den ökologischen Auswirkungen von Baustellen von Verkehr über Bauabfälle bis hin zu Emissionen und Störungen von Baustellen auseinandersetzt. Auch das Thema der frühzeitigen Information und Einbindung der Anrainer/innen wird in diesem Leitfaden bearbeitet.
- Richtlinie zur umweltorientierten Baustellenabwicklung, "ÖkoKauf Wien", 2017
- Broschüre "Richtiger Umgang mit Baurestmassen auf Baustellen", Wirtschaftskammer Österreich
- Lärmproblematik auf Baustellen, Umweltbundesamt
- Auf der Homepage der ÖÄL (Österreichischer Arbeitsring für Lärmbekämpfung) finden sich alle relevanten Richtlinien zum Thema Lärm und Baustellen. Im Speziellen ist die ÖAL-Richtlinie Nr. 3 Blatt 1 (Ausgabe 2008), die die Schallimmissionen im Nachbarschaftsbereich beurteilt, interessant. Die ÖAL Industrie-Richtlinie Nr. 111/April 1985 ist jedenfalls wesentlich, aber sie wird zur Zeit technisch überarbeitet und ist daher nicht als gültig heranzuziehen, sondern kann derzeit nur zur Orientierung dienen.
- Abhandlung des Themas "Baulärm in der Schweiz"
- Der Themenbereich des Baumschutzes auf Baustellen wird unter anderem in der ÖNORM L1121 (Baumschutz) geregelt. "Baumschutz auf Baustellen" - Informationsblatt der WUA
- Broschüre "Parks und Baumschutz", MA42 - Wiener Stadtgärten
- Hinweise zum Arten- und Lebensraumschutz an Gebäuden, MA 22 - Umweltschuttz
- Gelungenen Beispiele zur Nistplatzerhaltung, WUA
- Die WUA bietet auch Informationen zum umweltfreundlichen Umgang mit Außenbeleuchtung, was durchaus auch für Baustellen interessant ist und in Naturschutzverfahren als Auflage vorgeschrieben wird
© Fotos: W. Doppler