Der belgische Reaktor Tihange 2 wurde laut dem Betreiber Engie Electrabel am 31.01.2022 nach genau 40 Jahren Betriebszeit stillgelegt. Der Reaktor, der sich nicht unweit der deutschen und niederländischen Grenzen befindet, hat während seiner Laufzeit immer wieder für negative Schlagzeilen gesorgt. 

2012 kam ein Gutachten zu dem Schluss, dass der Reaktordruckbehälter, das Kernstück des Reaktors, mit Tausenden kleinen Rissen mit Wasserstoffeinschlüssen versehen ist. Eine Untersuchung der belgischen Atomaufsichtsbehörde FANK kam jedoch zu dem Ergebnis, dass die Risse mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits bei der Erstellung des Reaktordruckbehälters vorhanden waren und dem Weiterbetrieb des Reaktors nicht entgegenstehen würden. Dennoch wurde vorgeschrieben, das Notkühlwasser des Reaktors permanent auf über 40 °C vorzuheizen. Dies war eine Maßnahme, um im Falle eines schweren Unfalls keine thermischen Schocks auf den in Mitleidenschaft gezogenen Reaktordruckbehälter zu bewirken. Dadurch wurde allerdings das Kühlpotenzial verringert und die Möglichkeit, auf einen schweren Unfall zu reagieren, erschwert. Die Entscheidung, den Reaktor 2013 wiedereinzusetzen, wurde von einer Vielzahl unabhängiger Expert*innen kritisiert und war bis zur endgültigen Stilllegung des Reaktors Gegenstand wissenschaftlicher Diskussionen über die Sicherheit von Kernkraftwerken.

Tihange 2 ist nun einer der wenigen Reaktoren in Europa, für den keine Verlängerung der Betriebsdauer beantragt wurde.

Belgischer Rücktritt vom Atomausstieg

Aktuell befinden sich somit nur noch fünf der sieben Atomreaktoren Belgiens in Betrieb. Doel 3 ist bereits im September 2022 stillgelegt worden. Ursprünglich war es Belgiens Plan, bis 2025 komplett aus der Atomenergie auszusteigen. Aufgrund der Ukrainekrise und der angespannten Versorgungssituation Europas hat sich Belgien nun zu einem Kurswechsel entschieden. Die Betriebslizenz von zwei der fünf Reaktoren (Tihange 3 und Doel 4) soll bis 2035 verlängert werden.

Die Wiener Umweltanwaltschaft kritisiert diese Maßnahme, da eine Laufzeitverlängerung immer mit einer Vielzahl an detaillierten Untersuchungen und Analysen einhergehen muss, die viel Zeit in Anspruch nehmen. Die Vorbereitungszeit für die Laufzeitverlängerung des Kernkraftwerks Krško (Slowenien) nahm beispielsweise acht Jahre in Anspruch. Daher ist anzuzweifeln, ob für beide belgische Reaktoren innerhalb so kurzer Zeit alle notwendigen Überprüfungen auf höchstem Niveau durchgeführt werden können, um einen sicheren Weiterbetrieb der Reaktoren gewährleisten zu können.

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