Langanhaltende, quälende Hitzewellen mit Trockenheit sind hierzulande innerhalb der letzten Jahrzehnte um 50 % häufiger geworden und werden im Zuge des Klimawandels zusammen mit anderen Extremwetterereignissen immer wahrscheinlicher. Wie sich unser Treibhausgasausstoß und die zunehmende Klimaveränderung auf unsere belebte Umwelt auswirken, möchten wir hier zusammenfassen.

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Die mit dem Klimawandel zunehmende Häufigkeit und Intensität von Extremwetterereignissen, Bränden, Überschwemmungen und Dürren sowie der Meeresspiegelanstieg zeigten bereits weitreichende Auswirkungen auf die Verbreitung von Arten, die Zusammensetzung von Lebensgemeinschaften, die Phänologie (im Jahresablauf periodisch wiederkehrenden Entwicklungserscheinungen), Populationen und Populationsdynamik und Ökosystemfunktionen. Durch diese Veränderungen ist nicht sicher, ob Ökosysteme, die für uns Menschen wichtigen Leistungen (z.B. Wasser- und Lebensmittelversorgung) weiterhin erbringen können.

Mit jedem zusätzlichen Zehntelgrad Erwärmung steigt das Risiko, dass Ökosysteme zusammenbrechen. Allerdings entscheiden wir Menschen mit unseren Verhaltensweisen darüber, wie schwerwiegend die negativen Auswirkungenauf das Leben künftig ausfallen werden – wir können diese durch Klima- und Naturschutzmaßnahmen deutlich abmildern oder aber verstärken, sollten wir keine Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen ergreifen. Wir können unsere Zukunft aktiv gestalten und zum Besseren wenden.

Das Klima und die belebte Umwelt stehen in Wechselwirkung – Kipppunkte

Die Zusammensetzung unserer Atmosphäre wird maßgeblich durch biologische Prozesse geformt, da Lebewesen am Wasser- und Kohlenstoffkreislauf (Aufnahme, Bindung und Abgabe von CO2 etc.) beteiligt sind. Veränderungen der Biosphäre (belebte Umwelt) verändern das Klima, während der Klimawandel wiederum Ökosysteme und die Verbreitungsgebiete von Arten verändert. Das Klima ist der wichtigste Einflussfaktor für die Struktur und Funktion von Ökosystemen sowie die Artenzusammensetzung. Auch fossile Energieträger (Erdöl etc.) sind das Produkt von Biomasse, die vor Jahrmillionen abgestorben ist und enthalten etwa das Siebenfache der in der Atmosphäre heute enthaltenen Kohlenstoffmenge. Die innerhalb kürzester Zeit stattfindende Verbrennung dieser fossilen Energietäger führt zu einem extrem schnellen CO2-Anstieg in Atmosphäre, welcher den Treibhauseffekt befeuert. Veränderungen von Ökosystemen können ab einer gewissen Schwelle („Kipppunkt”) zu sich selbst verstärkenden Prozessen führen, welche den Klimawandel und letztlich die Veränderung des Ökosystems immer weiter antreiben.

Konkrete Beispiele sind:

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Großflächige Entwaldung (z.B. von tropischem Regenwald) führt dazu, dass weniger Wasser durch Bäume und andere Pflanzen verdunstet wird, wodurch es zu weniger Wolkenbildung, weniger Niederschlag und zunehmender Trockenheit kommt, welche besonders in den Tropen wiederum zum Absterben der an die feuchten Bedingungen angepassten Vegetation führt. Beim Absterben wird gebundenes CO2 freigesetzt, die Klimaerwärmung und die Trockenheit werden verstärkt, noch mehr Bäume sterben ab, es kommt zu stetiger Austrocknung und der tropische Wald wird zunehmend zur Savanne. Waldbrände beschleunigen diesen Prozess nur noch weiter – eine katastrophale Entwicklung für die Biodiversität und unser Weltklima. Sollte es zum Absterben des Amazonas Regenwaldes kommen, würden etwa 90 Milliarden Tonnen CO₂ in die Atmosphäre entweichen. Zwar kommt es durch den Klimawandel am Äquator, relativ gesehen zu den höheren Breiten und den Polregionen, zu einer geringeren Erwärmung, allerdings weisen tropische Ökosysteme eine höhere Empfindlichkeit gegenüber einer Zunahme von Temperatur und Trockenheit auf. 

 

Der Einfluss des Treibhausgas-Anstiegs auf Arten:

CO2 macht Ozeane sauer - Naturjuwele drohen zu verschwinden

Krabbe_c_Ramona_Cech_klein.jpgDie steigende CO2-Konzentration hat auch direkte Effekte auf die Meerwasserchemie. Die Meere sind eine Senke für CO2, jedoch führt die zunehmende Aufnahme zu einer Versauerung des Ozeans. Ozeanversauerung kann kalkbildende Meeresbewohner z.B. Muscheln, Krustentiere, Kalkalgen, Planktonarten etc. schädigen sowie bei Krebstieren wie Krabben das Aufspüren von Nahrung beeinträchtigen. In Kombination mit erhöhter Meerestemperatur trägt die Versauerung zum Korallensterben bei. 99 % aller tropischen Korallenriffe könnten vom Antlitz der Erde verschwinden, wenn die globale Durchschnittstemperatur um 2°C ansteigt. 

Verbreitungsgebiete und Artenzusammensetzungen verändern sich

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Jede Art benötigt eine unterschiedliche Kombination aus klimatischen Faktoren (Temperatur,
Niederschlagsmenge und -verteilung übers Jahr), unter denen sie überleben und sich fortpflanzen kann. Rasch voranschreitende Klimaänderungen verändern diese Bedingungen und zwingen Arten abzuwandern, und zwar in Gebiete, die noch die passenden Klimabedingungen bieten. Ein Abwandern ist jedoch in einer vom Menschen dominierten Landschaft kein leichtes Unterfangen. Große, intensiv bewirtschaftete Agrarflächen, Straßen und andere versiegelte Flächen zerschneiden und isolieren die Grünräume und Schutzgebiete voneinander. Bei vielen Schmetterlings-, Vogel-, Libellen-, Pflanzen- und Flechtenarten ist eine Wanderung nordwärts oder in obere Höhenlagen bereits beobachtet worden, um ca. 6 km pro Jahrzehnt verlagern sich Ausbreitungsgebiete verschiedener Arten polwärts. Die Geschwindigkeit, mit der sich die lokalen klimatischen Bedingungen verändern, überschreitet vielfach die Anpassungsgeschwindigkeit von Arten (dies kann nur über viele Generationen hinweg über sehr lange Zeiträume erfolgen). Je schneller sich das Klima ändert, desto weitere Strecken müssen zurückgelegt werden, wobei weniger mobile Arten buchstäblich auf der Strecke bleiben. Alpine Arten können nur bis zum Berggipfel wandern, aber nicht darüber hinaus. Viele Pflanzenarten mit speziellen Samenausbreitungsmechanismen könnten ebenfalls Probleme haben, in höhere Lagen auszuweichen, da ihre Samen durch die Schwerkraft tendenziell in tiefere Lagen gelangen. Zudem können veränderte Klimabedingungen dazu führen, dass sich Verbreitungsgebiete vieler Arten überschneiden (z.B. in Gipfelregionen) und es dadurch zu einem erhöhten Räuberdruck oder starker Konkurrenz kommen kann. Veränderte klimatische Bedingungen können gewisse Arten z.B. Chytrid-Pilze, welche Amphibien befallen, so stark fördern, dass 

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diese ganze Amphibien-Populationen auslöschen. Auch für Menschen relevante Krankheitsüberträger (z.B. tropische Moskitos) nehmen zu. Die klimatischen Veränderungen führen zum Rückgang heimischer Arten, während Neobiota, mitunter auch invasive Arten, zunehmen. Invasive Neobiota, die andere Arten verdrängen, werden uns ebenso wie wärmeliebende Schädlinge der Land- und Forstwirtschaft das Leben schwermachen.

Kälteangepasste Arten (z.B. kälteadaptierte Fischarten) gehen zunehmend zurück. Die Pole werden sich besonders stark erwärmen – mit weitreichenden Folgen, auch an der Basis der Nahrungskette. Algen, die an der Unterseite des Meereises wuchsen, verschwinden durch die Meereisschmelze. Folglich gehen auch die Bestände von sich davon ernährendem Krill zurück, welcher wiederum die Nahrungsgrundlage für Fische, Vögel, Säuger und Co ist.

Wechselbeziehungen geraten ins Stocken

In Ökosystemen sind durch Koexistenz über lange Zeithorizonte verschiedene Arten oft aufeinander spezialisiert (auf bestimmte Pflanzenarten spezialisierte Pflanzenfresser, spezialisierte Räuber etc.), viele Arten profitieren auch voneinander oder sind aufeinander angewiesen (z.B. spezialisierte Bestäuber). Da nicht alle Arten gleich mobil sind, kann es vorkommen, dass Arten zwar wandern könnten, dort aber keine passende Lebensgemeinschaft vorfinden. Ein Beispiel: spezialisierte Pilze, die mit bestimmten Pflanzen Nährstoffe und Zucker austauschen, könnten sich weniger schnell ausbreiten, als ihre pflanzlichen Partner. Das hat negativen Folgen für die Pflanzengesundheit.

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Im Jahresverlauf periodisch auftretende Entwicklungen können durch die Tageslänge oder die Temperatur bestimmt werden. Probleme können z.B. auftreten, wenn eine Art früher im Jahr blüht oder ihre maximale Individuenzahl erreicht und die darauf spezialisierten Arten (z.B. Bestäuber oder Räuber) nicht zur selben Zeit auftreten. Ein Beispiel ist der Trauerschnäpper. Der Trauerschnäpper ist ein Zugvogel, der in Europa um 90 % zurückging, weil seine bevorzugte, an seine Jungtiere verfütterte Beute (Raupen) immer früher im Jahr ihre maximale Anzahl erreicht, und zwar noch bevor die Küken schlüpfen. Insekten, die auf bestimmte Pflanzen spezialisiert sind, können stark abnehmen, wenn die Futterpflanze zu früh oder zu spät im Jahr aufkommt. Die teils komplexen Lebenszyklen pflanzenfressender Insekten können beschleunigt ablaufen, sodass sich mehr Generationen als bisher in einem Jahr ausgehen. In der Land- und Forstwirtschaft kann es zu beträchtlichen Schäden kommen (z.B. durch Borkenkäferarten).

Aussterberisiko von Arten

Vergangene Wärmeperioden und hohe atmosphärische CO2-Konzentrationen während der letzten 500 Millionen Jahre hingen mit höheren Aussterberaten zusammen. Dennoch ist es schwierig, vergangene Klimaveränderungen mit dem derzeitigen, rasant ablaufenden Klimawandel zu vergleichen. Ein schnell voranschreitender Klimawandel führt sehr wahrscheinlich zu noch mehr Aussterbeereignissen, besonders in Kombination mit anderen, menschengemachten Einflüssen (Lebensraumzerstörung, Umweltverschmutzung etc.). Besonders für Arten, die weltweit nur an einem Ort vorkommen (z.B. Arten auf Inseln, im Gebirge), werden hohe Aussterbewahrscheinlichkeiten durch den Klimawandel vorhergesagt. Besonders in den Tropen rechnet man selbst bei moderatem Klimawandel mit einem hohen Aussterberisiko.

Klimaschutz = Menschheitsschutz!

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Die negativen Aussichten dürfen uns nicht entmutigen, sondern sollten uns anspornen - wir haben unser aller Zukunft in der Hand. Wir können durch unsere Alltagsentscheidungen und unser Engagement den negativen Entwicklungen entgegenwirken. Dazu müssen wir alle an einem Strang ziehen und verstehen, dass Klima- und Naturschutz gleich Menschheitsschutz sind. Artenreiche, gesunde Ökosysteme binden CO2 und schützen uns vor negativen Klimawandelfolgen (nicht versiegelte Böden reduzieren Überschwemmungen bei Starkregenereignissen, verfügen über bessere Wasserspeicher bei Trockenperioden und stellen unsere Ernährung sicher; Vegetation sorgt für überlebenswichtige Abkühlung bei Hitzeperioden; Wälder schützen vor Erosion, Muren etc.).

Obwohl der Weg zur Klimaneutralität noch weit und steinig ist, geben einige Entwicklungen Hoffnung: Die Notwendigkeit des Klimaschutzes ist heutzutage vielen Menschen bewusst und klimafreundliche Alternativen werden immer preiswerter und begehrter. Jede*r kann sein eigenes Verhalten überdenken und klimafreundliche Entscheidungen treffen. Zur Begrenzung des Biodiversitätsverlustes gibt es weltweit zahlreiche Projekte, welche darauf abzielen, wichtige Ökosysteme widerstandsfähiger gegenüber Klimawandelfolgen zu machen. Naturnahe Flächengestaltung, naturbasierte Lösungen und Überlegungen zur Klimawandelanpassung finden zunehmend Einzug in die Landschafts- und Stadtplanung. Letztlich sind wir Menschen völlig von einer intakten Biosphäre abhängig. Um unser Überleben zu sichern, müssen wir einerseits Lebensräume schützen, und andererseits auch bereits zerstörte wiederherstellen – dazu wird auch die EU-Renaturierungs-Verordnung beitragen.

Weiterführende Informationen:

Weitere Zusammenhänge zwischen Klima- und Biodiversitäts- und Gesundheitskrise finden Sie hier: Klimawandelanpassung & -resilienz
Lee Hannah, 2015. Climate Change Biology, ISBN: 978-0-12-420218-4.
Lenton et al. 2019. Climate tipping points — too risky to bet against. Nature.

© Fotos: Ramona Cech, Sabine Cech, Wilfried Doppler & Pixabay

 

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