Viele unterschiedliche Lebensräume machen Wien zu einer Großstadt mit hoher Artenvielfalt. Wildtiere nutzen die Wälder, Wiesen und naturnahen Gärten, die Gewässer, die bewirtschafteten Flächen und auch die innerstädtischen, dicht bebauten Gebiete. Manche Tiere, die direkt vor unserer Haustüre leben, sehen wir häufiger (z. B. Eichhörnchen oder Krähen), andere können wir nur zu bestimmten Tageszeiten beobachten (z. B. Fledermäuse) und die meisten bleiben unbemerkt. Das Leben in der Stadt ist für Wildtiere durchaus attraktiv, weil Futter und Lebensmittelreste relativ leicht verfügbar sind und das Klima in der Stadt wärmer und milder als im Umland ist. Aber es gibt auch zahlreiche Gefahren. Welche Arten durch menschliches Verschulden besonders häufig verletzt aufgefunden werden und warum, wurde im Auftrag der Wiener Umweltanwaltschaft vom Verein Wildtierhilfe Wien ausgewertet. Die Wildtierhilfe Wien pflegt seit 2013 verletzte Wildtiere und wilderte diese, wenn möglich, wieder aus.
Vogelanprall an Glasflächen
Im Untersuchungszeitraum (2016 bis 2018) wurden 150 Tiere nach einer Kollision an einer Glasfläche zur Wildtierhilfe gebracht. Das bedeutet, dass sich fast jeder vierte adulte Vogel, der bei der Wildtierhilfe behandelt wurde, beim Anprall an eine Glasscheibe verletzt hat.
Vögel können Glasflächen mit freier Durchsicht wie Wind- und Lärmschutzwände, Wintergärten und transparente Absturzsicherungen im Flug nur schlecht erkennen und fliegen mitunter in hohem Tempo gegen das Hindernis. Vogelanprall ist nach der Lebensraumzerstörung eine der häufigsten Todesursachen bei Vögeln.
Ein Grund, warum nicht mehr verletzte Vögel vor Scheiben gefunden werden, ist, dass sich die Tiere oft mit letzter Kraft versuchen zu verstecken, z. B. flattern sie in eine Strauchgruppe. Marder, Krähen und Co sorgen dafür, dass Kadaver schnell abtransportiert werden.Insgesamt wurden 41 verschiedene Vogelarten durch Kollisionen verletzt. Eine Maßnahme um Vogelanprall zu vermeiden, ist das Markieren von Glasscheiben. Für ausführliche Informationen siehe „Vogelanprall an Glasflächen“.
Katzen- und Hundekontakte
Die häufigste Verletzungsursache der Tiere, die beim Verein Wildtierhilfe versorgt wurden und für die nachweislich der Mensch verantwortlich ist, sind Kontakte mit Katzen und Hunden. Das sind somit die Fälle, bei denen die Ursache der Verletzungen bekannt ist. Die Haustierbesitzer/innen bemerken den Unfall, bringen das verletze Wildtier zum Verein Wildtierhilfe und können dort die Geschehnisse zu Protokoll geben. Bei anderen Ursachen ist es den Finder/innen der verletzten Tiere oft nicht möglich eindeutige Angaben zu machen.
2016 bis 2018 wurden über 200 durch Katzen verletzte Wildtiere dem Verein zur Versorgung übergeben, weniger als die Hälfte davon konnte gerettet werden. Gründe für diese hohe Sterblichkeit sind innere Verletzungen und Infektionen durch den Biss der Katzen. Über 80 % der Katzenopfer waren Vögel (zwei Drittel davon Jungtiere), bei den Säugetieren waren vor allem Eichhörnchen und Feldhasen betroffen.
Deutlich weniger Kontakte (56 Wildtiere) gab es mit Hunden. Etwas zwei Drittel der Wildtiere überlebten den Unfall. Betroffen waren hauptsächlich Säugetiere wie Igel und Feldhasen.
Die meisten Wildtiere mit Haustierkontakt kamen aus dem 22. Bezirk.
Um die Verletzung von Wildtieren durch Haustiere zu reduzieren, sollten vor allem die Besitzer/innen von Katzen Maßnahmen setzen, etwa durch eine Beschränkung des Ausgangs in den Zeiten, in denen Wildtiere besonders sensibel sind.
- Wenn Freigängerkatzen, z. B. in der Vogelbrutzeit von Mai bis Juli tagsüber zu Hause bleiben, sinkt das Risiko für Vögel, von Katzen verletzt zu werden.
- Auch kann bei der Gartengestaltung auf Wildtiere Rücksicht genommen werden, indem an Bäumen mit Nestern Katzen-abwehrende Manschettenringe befestigt werden und Sträucher mit Dornen gepflanzt werden, die von Hauskatzen gemieden werden.
Hunde sollten in der Zeit von Mai bis Juli beim Spazierengehen nach Möglichkeit angeleint werden, auf jeden Fall sollte auch bei Hunden mit Jagdtrieb das Abrufen bei einem entdeckten Wildtier gut trainiert werden.
Tipps für Katzen- und Vogelfreunde gibt es bei der Tierschutzombudsstelle Wien
Baumfällungen und Heckenschnitte
Bäume und Hecken sind wichtige Lebensräume für Wildtiere. Sie beherbergen Vogelnester, Eichhörnchenkobel, Verstecke für Fledermäuse, bieten Schutz, Nahrung und die Möglichkeit sich kurz auszurasten. Alleen oder Hecken sind richtige „Highways“ für Wildtiere, denn sie bewegen sich gerne entlang dieser Grünstrukturen fort.
Prinzipiell ist der Rückschnitt von Hecken oder Bäumen gemäß Wiener Naturschutzgesetz nicht zulässig, wenn sich dort Nester befinden. Dennoch kommt es in der Praxis leider immer wieder vor, dass Tiere verletzt werden, wenn die Nester zuvor nicht entdeckt wurden. Fledermäuse schlafen bzw. verstecken sich mitunter so tief in den Höhlen alter Baumstämme, dass sie nur mit einer Endoskop-Kamera entdeckt werden können.
Im Gegensatz zu Baumfällungen (siehe Wiener Baumschutzgesetz) ist die Entfernung von Hecken nicht bewilligungspflichtig. Oftmals werden keine Hecken nachgepflanzt, da die Sträucher regelmäßig gepflegt werden müssen. Jede Hecke, die ersatzlos entfernt wird, war ein Lebensraum, der Wildtieren in der Stadt in Zukunft nicht mehr zur Verfügung steht.
Die meisten Tiere wurden im Frühling verletzt, wobei es sich zumeist um ganze Kobel oder Nester handelte, die betroffen waren. Im Winter sind Baumfällungen für Fledermäuse, die ihr Winterquartier in Baumstämmen haben, problematisch. Um die Gefahr für Wildtiere zu verringern, sollten Rückschnitte und Fällungen eher im Spätsommer (August-September) durchgeführt werden. Vor Beginn der Arbeiten müssen die Pflanzen mit größter Sorgfalt auf die Anwesenheit von Tieren (Baumstämme auch mit einer Endoskop-Kamera) kontrolliert werden.
Bau- und Sanierungsarbeiten
Bei Bau- und Sanierungsarbeiten werden Wildtiere wie Gebäudebrüter oder Igel gestört und/oder verletzt. Die (mit Abstand) häufigsten Verletzungsopfer, die bei der Wildtierhilfe versorgt und bei Bau- und Sanierungsarbeiten verletzt wurden, sind Straßentauben (43 Individuen). Tauben sind nicht durch das Wiener Naturschutzgesetz geschützt, aber durch das Tierschutzgesetz.
Jede absichtliche Störung geschützter oder streng geschützter Vögel (z. B. Mauersegler) sowie jede absichtliche Zerstörung oder Beschädigung von Eiern oder Nestern ist laut Wiener Naturschutzgesetz verboten. Grundsätzlich ist das Vorkommen geschützter oder streng geschützter Arten vor Baubeginn abzuklären und gegebenenfalls mit der Wiener Umweltschutzabteilung Kontakt aufzunehmen.
Um die Brutplätze dieser Arten zu schützen, unterstützt die Wiener Umweltanwaltschaft seit 2017 die Mauersegler-Kartierung der Wiener Umweltschutzabteilung.
Mehr Informationen
Bericht „Gefahrenquellen für Wildtiere“, Wildtierhilfe Wien
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