Kritikpunkte und Position der Wiener Umweltanwaltschaft
Kritikpunkte
Neben dem fortgeschrittenen Alter von Block 1 müssen standortbedingte, anlagenspezifische und beim Block 1 die für Siedewasserreaktoren generellen Sicherheitsbedenken, angeführt werden:
- Die Anlage befindet sich etwa westlich bis nordwestlich von größeren österreichischen Ansiedlungen in der Hauptwindrichtung gelegen. Sowohl die Großräume Linz, Salzburg und Wien könnten von den möglichen Folgen einer schweren radioaktiven Freisetzung unmittelbar betroffen sein. Unter ungünstigen Bedingungen wären nur kurze Vorwarnzeiten von einigen Stunden vorhanden, um die Bevölkerung zu warnen und Notmaßnahmen zu ergreifen.
- Die systembedingte permanente Emission von Radioisotopen von Siedewasserreaktoren in die Luft liegt deutlich über den Freisetzungen von Druckwasserreaktoren mit vergleichbarer Leistung. Verschiedene Studien, die den Gesundheitseinfluss von KKW untersucht haben, kamen bei entsprechender Auswertung auch für den Standort zu Isar-1, zu einer signifikanten Erhöhung der Häufigkeit von Krebsfällen bei Kindern in der näheren Umgebung.
- Es besteht kein Volldruck-Containment für Block 1, da es sich um einen Siedewasserreaktor mit (im Vergleich zu Druckwasserreaktoren) geringeren Betriebsdrücken handelt, stattdessen existiert nur ein kugelförmiger Einschluss mit einem Druckabbausystem und Wasservorhaltungen zu Kondensationszwecken.
- Ebenfalls für Block 1 – und der Siedewassertechnik entsprechend – werden die Regelstäbe von unten in den Kernreaktor eingeführt. Die Sicherheitsmechanismen können ein Einfahren der Stäbe zur Reaktorabschaltung im Falle von Energieverlust nur zum Teil garantieren, ein selbsttätiges Einfallen durch Schwerkraft ist nicht möglich.
- Anlagenbedingt gehört die Turbine und der Kondensator zum Primärkreislauf, eine Wartung gestaltet sich durch die radiologischen Bedingungen aufwändig.
- Die Informationspolitik der Betreiber war in der Vergangenheit mangelhaft. Wesentliche Daten über Technik und Sicherheitssysteme der Anlagen Isar 1 und 2 sind nicht ohne weiteres zugänglich. Dies gilt auch in Bezug auf die Berichterstattung zu Zwischen- und Störfällen.
Position der Wiener Umweltanwaltschaft
Um die Risiken der Anlage auch für die Region Wien besser abschätzen zu können, setzt sich die WUA für einen intensiven Informationsaustausch - etwa im Rahmen bestehender bilateraler Abkommen ein. Das KKW Isar-1 gehört aufgrund seiner Bauart und den Alter zu den Anlagen mit einem vergleichsweise hohen Betriebsrisiko. Die Wiener Umweltanwaltschaft dringt auf die Einhaltung der Stilllegung von Isar-1 nach dem deutschen Atomkonsens spätestens im Jahr 2011. Ein Betrieb darüberhinaus darf aus Sicht der WUA schon aus Sicherheitsgründen nicht erfolgen. Mit Sicherheit ist der Beitrag am Risiko aus dem Betrieb des KKWs Isar-1 für Österreich bedeutender als beispielsweise vom KKW Temelin. Dies gilt eventuell sogar unter Einbeziehung der noch verbleibenden Betriebszeit beider Anlagen. Die WUA kann nicht akzeptieren, dass das wirtschaftsstarke Bundesland Bayern sowie der Energiekonzern E.ON nicht ähnlichen Sicherheitskriterien hinsichtlich des Betriebs von Nuklearanlagen unterworfen werden, wie beispielsweise für die tschechische Republik und Temelin gefordert wurde. Wien setzt sich gegen ein nationales Endlager Deutschlands in der Nähe der österreichischen Grenze ein. Die WUA ist aber auch der Meinung, dass die generelle Ablehnung eines Endlagers in Bayern durch die bayrische Landesregierung, bei gleichzeitiger Unterstützung einer nuklearfreundlichen Energiepolitik, das Dilemma der Kernenergie treffend auf den Punkt bringt.