Allgemeines
Das KKW Isar/Ohu liegt zirka 150 km westlich von Passau in Bayern. Am Standort war ursprünglich nur ein Siedewasserreaktor vorgesehen. Dieser Block wurde 1977 in Betrieb genommen und gehört der gleichen Baulinie (Baulinie 69) an, wie das niemals in Betrieb genommene österreichische KKW Zwentendorf. Ähnliche Anlagen befinden sich in Brunsbüttel, Krümmel und Phllipsburg-1 in Deutschland. Zwischen 1981 und 1988 wurde ein großer Druckwasserreaktor Isar-2 der Konvoilinie nahe der älteren Anlage errichtet. Ähnliche Anlagen wurden ebenfalls 1988 am Standort Grafenrheinfeld und Emsland in Deutschland in Betrieb genommen. Diese drei Anlagen sind die modernsten deutschen KKW. Sie stellen die voraussichtlich letzte Ausbaustufe der Kernenergie in Deutschland dar.
Die Kraftwerke Isar 1 und 2 sind zwei völlig getrennte Anlagen auf benachbarten Arealen. Isar-2 war mehrfach der Kernreaktor mit der weltweit größten jährlichen Netzeinspeisung. Er ist der leistungsstärkste Reaktor in Deutschland und zugleich der größte deutsche Kraftwerksblock.
Mit 2007 befindet sich das KKW Isar-1 im Alleineigentum der E.ON Kernkraft, während Isar-2 zu 75 % von der E.ON und zu 25 % von den Stadtwerken München betrieben wird. Der Standort in der Nähe der bayrischen Stadt Landshut wurde aufgrund seiner guten Verkehrsanbindung und der Verbindung zum bayrischen Höchstspannungsnetzes ausgewählt. Auch die Kühlwasserversorgung von Block 1 durch den namensgebenden Donauzuflusses Isar stellte einen wichtigen Faktor bei der Standortwahl dar. Durch den Wärmeaustausch am Turbinenkondensator von Block 1 wird die Isar um bis zu 2,5 C erwärmt. Für Block 2 wurde ein 165 Meter hoher Kühlturm errichtet.
Neben der Stromversorgung der Region Passau-Landshut erfolgen Stromlieferungen nach München, was die Beteiligung der Stadtwerke München erklärt. Bayern bezieht fast 70 Prozent seines Stroms aus Kernenergie und liegt damit um mehr als das zweifache über dem bundesdeutschen Durchschnitt. Die intensive Nutzung von Strom aus Kernenergie und die damit verbundene Abhängigkeit spiegelt sich auch deutlich in der bayrischen Politik wider. Sogar das bayrische Umweltministerium steht in scharfer Opposition zum bundesweiten Atomausstieg, der das reichste deutsche Bundesland Bayern verhältnismäßig stark betrifft. Von der bayrischen Landesregierung wird die Suche nach einem kostensparenden Endlager für abgebrannte Brennelemente innerhalb Deutschlands vorangetrieben, gleichzeitig wird ein Standort in Bayern kategorisch ausgeschlossen. Bayern betreibt fünf teils große KKW-Blöcke (Isar-1, Isar-2, Grafenrheinfeld, Gundremmingen B und C).
Zwischenlager für Brennelemente "BELLA"
Wie auch an zahlreichen anderen deutschen KKW Standorten, wurde ein Zwischenlager für abgebrannte Brennelemente geplant und errichtet.. Das Lager ist ausschließlich für die Aufnahme des ausgebrannten Kernbrennstoffs aus beiden Reaktoren (Isar 1 und 2) konzipiert und hat eine maximale Lagerkapazität von 1800 Tonnen Schwermetall. Diese Kapazität soll für die gesamte verbleibende Betriebslaufzeit ausreichen. Nachdem seit 2005 die Wiederaufarbeitung von abgebranntem Kernbrennstoff in Deutschland verboten ist, gleichzeitig aber noch kein Endlager in Betrieb genommen werden konnte, müssen die hochaktiven Abfälle bis zur Fertigstellung eines bundesdeutschen Endlagers auf dem Kernkraftwerksgelände zwischengelagert werden. Wie in Deutschland allgemein üblich wurde ein trockenes Behälterlager gewählt, welches als oberirdische Lagerhalle mit natürlicher Kühlung ausgeführt ist. Maximal 152 Castorbehälter vom Typ B(U) mit doppelter Metalldichtung im Deckel werden aufrecht angeordnet und an entsprechende Messanlagen angeschlossen, um die Dichtheit der Behälter ständig überwachen zu können. Die Abfuhr der Nachzerfallswärme von maximal 6,4 MW für die vollbesetzte Halle, die aufgrund der hohen Radioaktivität in den Behältern entsteht, wird durch natürliche Luftkonvektion abgeführt. Die gesamte Aktivität der langlebigen Strahler soll 2 x 1020 Bq ( zirka 5,4 Milliarden Curie) nicht übersteigen (dies entspricht etwa der zehnfachen Menge an Aktivität, jener langlebigen Strahler, die bei der Katastrophe von Tschernobyl freigesetzt wurden). Das Zwischenlager "BELLA" hat im Frühjahr 2007 mit der Einlagerung der ersten Abfälle seinen Betrieb aufgenommen.
Wichtige Zahlen im Überblick
Reaktortyp | Leistung (MW elektrisch) | Fertigstellung | Betriebsende | |
---|---|---|---|---|
Isar 1/Ohu | Siedewasserreaktor Westlicher Bauart |
8781 (912)2 | 1977 | 2011 |
Isar 2/Ohu | Druckwasserreaktor Konvoi-Typ |
1.4001 (1.475)2 | 1988 | voraussichtlich 2022 |
1Nettoleistung: Netzeinspeisung nach Abzug des Eigenverbrauchs der Anlage
2Bruttoleistung: Inklusive der für den Betrieb notwendigen Leistung
- Entfernung von Wien (Luftlinie): Zirka 450 Kilometer
- Anteil der Anlage an der Stromerzeugung in Deutschland: Zirka 3,4 Prozent (2006)
- Anteil der Stromerzeugung aus Kernenergie in Deutschland: Zirka 26,3 Prozent (2006)
- Jahresstromeinspeisung der Anlagen 2006: etwa 18,56 TWh. Seit Inbetriebnahme bis Juli 2007: 368 TWh
Bisherige schwere Stör- und Zwischenfälle
Zu schwerwiegenden Unfällen mit Freisetzung großer Mengen an Radioaktivität kam es am Standort Isar bisher nicht. Zu den den erwähnenswerten Zwischenfällen gehören jedoch:
- Am 30.03.1988 stürzte in zwei Kilometer Entfernung vom Kraftwerksstandort ein französisches Kampfflugzeug des Typs "Mirage" während einer Übung ab. Flugzeugabstürze stellen für die älteren deutschen Siedewasserreaktoren ein schwerres Sicherheitsrisiko dar, weil der Pool für abgebrannte Brennelemente nur relativ schwach ausgelegt ist und einem starken Aufprall nicht standhalten könnte. Das Kraftwerk liegt unweit des Großflughafens München-Erdinger Moos, wodurch der Luftraum außerhalb der Überflugsverbotszonen stark frequentiert ist.
- Am 24.07.1989 brach im KKW Isar 1 der Greifer der Lademaschine an einem Gelenk wegen dem Zusammenstoß mit einer Plattform. Der Reaktor war zu dieser Zeit wegen der sommerlichen Revision abgeschaltet und zum Brennelementwechsel geöffnet. 54 Stahlkugeln eines Kugellagers fielen in den offenen Sicherheitsbehälter. Mit einem Magnetgreifer konnten 45 Kugeln wieder geborgen werden, 9 blieben verschollen. Der Reaktor wurde dennoch wieder angefahren.
- Am 14.02.1995 kam es in Block 1 zu einer Veränderung der gemessenen Zusammensetzung der Spaltgase und einem Anstieg der Heliumkonzentration in einem System. Ursache war ein defektes Brennelement, in der Folge wurden auch leicht erhöhte Neptunium-239 Konzentrationen festgestellt. Erst nach Monaten wurde der Schaden behoben, da er als geringfügig galt.
- Am 01.04.1996 wurde am Reaktor Isar 1 manuell eine Schnellabschaltung eingeleitet, als es zu einer fehlerhaften Signalaufbereitung der Kondensationskammer-Füllstandsmessung kam. Der Vorfall ereignete sich während einer Inbetriebnahmeprüfung an Sicherheits- und Endlastungsventilen und deutete auf ungenügende Sicherheitseinrichtungen und mangelnde Wartung hin.
Abgesehen von kleinen Zwischenfällen und diversen technischen Pannen sind zum KKW Isar-2 bisher keine schweren {glossarbot=disable}Störfälle{glossarbot=enable} bekannt geworden. Auch kam es unabhängigen Überwachungen und Messungen zufolge bisher nicht zur Überschreitung von Grenzwerten bei der Abgabe radioaktiver Stoffe in die Umwelt.
Kritikpunkte und Position der Wiener Umweltanwaltschaft
Kritikpunkte
Neben dem fortgeschrittenen Alter von Block 1 müssen standortbedingte, anlagenspezifische und beim Block 1 die für Siedewasserreaktoren generellen Sicherheitsbedenken, angeführt werden:
- Die Anlage befindet sich etwa westlich bis nordwestlich von größeren österreichischen Ansiedlungen in der Hauptwindrichtung gelegen. Sowohl die Großräume Linz, Salzburg und Wien könnten von den möglichen Folgen einer schweren radioaktiven Freisetzung unmittelbar betroffen sein. Unter ungünstigen Bedingungen wären nur kurze Vorwarnzeiten von einigen Stunden vorhanden, um die Bevölkerung zu warnen und Notmaßnahmen zu ergreifen.
- Die systembedingte permanente Emission von Radioisotopen von Siedewasserreaktoren in die Luft liegt deutlich über den Freisetzungen von Druckwasserreaktoren mit vergleichbarer Leistung. Verschiedene Studien, die den Gesundheitseinfluss von KKW untersucht haben, kamen bei entsprechender Auswertung auch für den Standort zu Isar-1, zu einer signifikanten Erhöhung der Häufigkeit von Krebsfällen bei Kindern in der näheren Umgebung.
- Es besteht kein Volldruck-Containment für Block 1, da es sich um einen Siedewasserreaktor mit (im Vergleich zu Druckwasserreaktoren) geringeren Betriebsdrücken handelt, stattdessen existiert nur ein kugelförmiger Einschluss mit einem Druckabbausystem und Wasservorhaltungen zu Kondensationszwecken.
- Ebenfalls für Block 1 – und der Siedewassertechnik entsprechend – werden die Regelstäbe von unten in den Kernreaktor eingeführt. Die Sicherheitsmechanismen können ein Einfahren der Stäbe zur Reaktorabschaltung im Falle von Energieverlust nur zum Teil garantieren, ein selbsttätiges Einfallen durch Schwerkraft ist nicht möglich.
- Anlagenbedingt gehört die Turbine und der Kondensator zum Primärkreislauf, eine Wartung gestaltet sich durch die radiologischen Bedingungen aufwändig.
- Die Informationspolitik der Betreiber war in der Vergangenheit mangelhaft. Wesentliche Daten über Technik und Sicherheitssysteme der Anlagen Isar 1 und 2 sind nicht ohne weiteres zugänglich. Dies gilt auch in Bezug auf die Berichterstattung zu Zwischen- und Störfällen.
Position der Wiener Umweltanwaltschaft
Um die Risiken der Anlage auch für die Region Wien besser abschätzen zu können, setzt sich die WUA für einen intensiven Informationsaustausch - etwa im Rahmen bestehender bilateraler Abkommen ein. Das KKW Isar-1 gehört aufgrund seiner Bauart und den Alter zu den Anlagen mit einem vergleichsweise hohen Betriebsrisiko. Die Wiener Umweltanwaltschaft dringt auf die Einhaltung der Stilllegung von Isar-1 nach dem deutschen Atomkonsens spätestens im Jahr 2011. Ein Betrieb darüberhinaus darf aus Sicht der WUA schon aus Sicherheitsgründen nicht erfolgen. Mit Sicherheit ist der Beitrag am Risiko aus dem Betrieb des KKWs Isar-1 für Österreich bedeutender als beispielsweise vom KKW Temelin. Dies gilt eventuell sogar unter Einbeziehung der noch verbleibenden Betriebszeit beider Anlagen. Die WUA kann nicht akzeptieren, dass das wirtschaftsstarke Bundesland Bayern sowie der Energiekonzern E.ON nicht ähnlichen Sicherheitskriterien hinsichtlich des Betriebs von Nuklearanlagen unterworfen werden, wie beispielsweise für die tschechische Republik und Temelin gefordert wurde. Wien setzt sich gegen ein nationales Endlager Deutschlands in der Nähe der österreichischen Grenze ein. Die WUA ist aber auch der Meinung, dass die generelle Ablehnung eines Endlagers in Bayern durch die bayrische Landesregierung, bei gleichzeitiger Unterstützung einer nuklearfreundlichen Energiepolitik, das Dilemma der Kernenergie treffend auf den Punkt bringt.
Technische Spezifikation und Sicherheitssysteme
Technische Spezifikationen
Die Anlage Isar-1 ähnelt den Kernkraftwerken Brunsbüttel und Phillipsburg-1 (ebenfalls D) und gehört zu den älteren Reaktoren in Deutschland. Der leicht (normal)-wassergekühlte und leichtwassermoderierte Siedewasserreaktor hat eine thermische Leistung von 2292 MWth und eine reultierende elektrische Leistung von 912 MWel. Von dieser über einen Turbogeneratorsatz erzeugten Leistung werden nach Abzug des Eigenbedarfs 878 MWel ins öffentliche Netz eingespeist. Der Druckbehälter besteht aus rostfreiem Stahl und ist 20,70 m hoch bei einem Durchmesser von 5,58 m und 13,6 cm Wandstärke. Der Betriebsdruck liegt bei etwa 70 bar. Als Brennstoff werden 104 Tonnen Urandioxid in 532 Brennelementen mit Zirkaloy-2-gemantelten Brennstäben verwendet.
Wie beim Siedewasserreaktor üblich, sind die Kühlmittelkreisläufe von Turbine und Reaktor nicht durch einen Wärmetauscher getrennt, im Falle von Isar-1 sind acht Kreisläufe parallel geschaltet. Die Temperatur des Wassers beim Eintritt in den Reaktor beträgt 277 C, beim Verlassen des Kerns ist das Wasser auf 285,4 C erwärmt und verdampft beim Betriebsdruck. Oberhalb der aktiven Zone wird der Frischdampf vom Restwasser abgeschieden und über Dampfleitungen in das Maschinenhaus gebracht, wo er an einer mehrstufigen Turbine die mechanische Arbeit verrichtet und den stromerzeugenden Generator antreibt. Nach der Turbine wird der Dampf im Kondensator niedergeschlagen und mit den Kondensatpumpen wieder zum Reaktor gefördert. Der Wasserdurchsatz im Reaktorkern beträgt 35672 Tonnen pro Stunde (zirka 10 Tonnen pro Sekunde), wovon 4459 Tonnen Dampf auf die Turbine geleitet werden (1,3 Tonnen pro Sekunde).
Isar 2 ist ein moderner Druckwasserreaktor des westdeutschen Herstellerkonsortiums Kraftwerksunion (KWU) und gehört dem sogenannten Konvoi-Typ an, der mit dem gleichen Konzept und in kurzer zeitlicher Reihenfolge den letzten Ausbau des deutschen Kernkraftwerksparks angehört. Der Block leistet zusammengefasst 1400 MWel, bei thermischen 3600 MW. Es handelt sich um einen der größten Kernreaktoren weltweit. Im Reaktordruckbehälter befinden sich etwas über 100 Tonnen Kernbrennstoff mit einer durchschnittlichen Anreicherung von zirka 3 Prozent an Uran-235. Das Uran ist als keramisches Urandioxid in Tablettenform in den Brennstäben aufgestapelt. Die Brennstabhüllen sind aus der hochtemperaturbeständigen Metalllegierung Zirkaloy-4 gefertigt, und je 193 sind zu einem Brennelement zusammengefasst. Durch die vier Primärkühlmittelpumpen werden pro Stunde etwa 72.000 Tonnen Wasser umgewälzt und im Reaktor von zirka 285 °C auf 316 °C aufgeheizt. Beim Druck von zirka 150 bar im Primärkreis kann das Wasser nicht verdampfen, es gibt seine Wärme in den vier Dampferzeugern an den Sekundärkreis ab. Im zweiten Kreis entstehen pro Stunde kapp 7000 Tonnen Dampf, der über eine Turbine mit angeschlossenem Generator zur Stromerzeugung genutzt wird.
Sicherheitssysteme
- Als grundsätzlich positiv kann die hohe Anzahl von 8 Kühlmittelschleifen für KKI-1 bewertet werden, da nur verhältnismäßig kleine Rohrdurchmesser auftreten, wodurch etwaige Rohrbrüche weniger drastisch ausfallen und eine höhere Redundanz besteht.
- Für KKI-1 besteht ein kugelförmiger Einschluss mit Stahlmantel der Reaktorzone mit zirka 1000 Tonnen Wasservorrat zur Dampfkondensation. Die Konstruktion ist bis zu 4,3 bar Überdruck ausgelegt
- Block 2 besitzt ein modernes Volldruckcontainment in vorgespannter Stahlbetonbauweise mit eingegossenen Stahltrossen. Druckwasserreaktoren von diesem Typ sind dafür ausgelegt, das Verdampfen des gesamten Kühlmittels innerhalb des Containments zu beherrschen, ohne dass das Containment undicht wird und Radioaktivität entweicht (Auslegungsstörfall).
- Beide Blöcke sind mit Not- und Nachkühlsystemen ausgerüstet
- Beide Blöcke besitzen Schnellabschalt- und Regelsysteme, die den Reaktor beim Überschreiten bestimmter Anlagenparameter automatisch abschalten. Dazu gehören Druckabfall oder -anstieg im Sicherheitsbehälter, Neutronenfluss und Reaktorperiode, Temperaturen verschiedener Systemteile, Turbinenparameter, Zustand der Hauptumwälzpumpen, Aktivitätswerte u.a.
- Für beide Reaktoren bestehen großdimensionierte Notstromdieselgeneratoren für die Überbrückung von Netzausfällen bei gleichzeitiger Reaktorschnellabschaltung und Akkumulatoren für die Aufrechterhaltung des Mess- und Kontrollbetriebs.
- Beide Blöcke sind als völlig unabhängige Anlagen mit allen Sicherheits- und Notstandssystemen ausgerüstet, sodass unmittelbare Wechselwirkungen unwahrscheinlich sind.
Verwendete Quellen und Links